Softwarepatente: Die „Microsoft liebt Linux“ Propaganda

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Microsoft näher sich der OpenSource Welt an.

Auch wenn Microsoft sich der OpenSource Welt annähert, so sollte man sich doch Gedanken über die Gründe machen …

Die Debatte um Softwarepatente nimmer erneut Fahrt auf und der Satz „Microsoft liebt Linux“, der in letzter Zeit immer häufiger vorkommt, rückt dadurch in ein anderes Licht.
Dennoch ist die „Microsoft liebt Linux“ Propaganda sowohl in Linux-/GNU-/OpenSource-Communities, als auch bei Windows-Nutzern/-Entwicklern sehr beliebt. Dabei dreht es sich darum, dass Microsoft Software für und mit Linux und deren Community entwickelt und Erfahrungen tauscht.
Das klingt alles nach einer heilen Welt, doch die Wirklichkeit sieht anders aus.

Warum Softwarepatente schlecht sind

Patente im Allgemeinen sind Schutzrechte, die die alleinige Nutzung von Erfindungen ermöglichen. Durch die Anmeldung eines Patentes wird es einem Unternehmen ermöglicht Gewinn mit der Erfindung oder dem Verfahren zu machen. Anderen wird die Nutzung untersagt.

Klingt erst mal gut und richtig, die Idee an sich hat auch keinen großen Haken, doch bei Software sieht das ganze etwas anders aus.

Das Problem bei Software ist, dass dort meist eine Problemlösung und keine wirkliche Erfindung vorliegt, die nicht Patentfähig ist (zumindest nicht in Deutschland). In anderen Ländern, wie der USA, sieht das anders aus und so gelingt es Unternehmen immer wieder Softwarepatente erteilt zu bekommen (allem voran die USA).
Im Endeffekt ist Software nichts anderes als eine Folge von Mathematischen Formeln gepaart mit Lese- und Schreiboperationen, weswegen Softwarepatente kritisch betrachtet werden.

Softwarepatente sind schlecht, weil ihnen keine Forschung, kostenintensive Entwicklung oder andere riskante Investition (Aufbau einer Fabrik o.Ä.) vorausgeht. Jeder, der in der Lage ist Software professionell zu entwickeln, kann unwissentlich Patente verletzen, da man Verfahren oder Funktionen entwickelt, die patentiert sind.
Beispiele für bekannte Softwarepatente sind die Formate GIF, MP3 oder LZW (Kompressionsalgorithmus), deren freie Nutzung nicht erlaubt ist, bzw. war.
Auch Trivialpatente, wie Karteireiter (umgangssprachlich Tabs), Fortschrittsbalken oder die Nutzung des Ungleich-Operators sind/waren Softwarepatente und somit rechtlich geschützt.

In Deutschland müssen Erfindungen mit Naturkräften (etwa Kräfte in der Mechanik oder bei Chemischen Vorgängen) auskommen, die Elektrizität in Computern gilt dabei nicht als Naturkraft und dadurch ist Software in Deutschland nicht Patentfähig.

Zudem werden oftmals Patente erstellt, die gar nicht vom Antragsteller entwickelt wurden (s.u.).
Ein Volkswirtschaftlicher Nutzen von Softwarepatenten wurde bisher nicht nachgewiesen.

Die Anzahl der Softwarepatente steigt und steigt.

Die Zahl der Softwarepatente steigt weiter an und sorgt für weniger freien Zugang zu Software und Verfahren.

Absurde Softwarepatente

Wie in vielen Bereichen des Patentwesens, gibt es diverse Trivialpetente, sprich Patente, die keine Erfindung darstellen und eigentlich niemals hätten erlaubt werden dürfen.

Hier nur ein kleiner Auszug aus diversen Trivialpatenten:
Reiter (also Tabs) sind von Adobe patentiert, Einkaufswagen in Online-Shops sind in Europa geschützt, Spaltenweises editieren von Tabellen und der Fortschrittsbalken auch. Microsoft besitzt am Ungleich-Operator (also dem != Operator) ein Patent und sicherte sich am Doppelklick die Rechte. Auch sind die Caps-Lock-Anzeige auf Tastaturen, das Entsperren von Touchscreens per Wisch-Geste und Links (also sowas hier → dieser Link ist patentiert) sind gültige Softwarepatente. Diese Aufzählung ist natürlich nicht erschöpfend.

Die wenigsten haben den Inhalt des Patents tatsächlich erfunden/entwickelt und besitzen eigentlich gar keine Rechte daran.

Microsoft patentiert Android Software

Auch Microsoft patentiert fröhlich vor sich hin und wer glaubt, dass nur selbst produzierte Software patentiert wird, der liegt falsch. Microsoft patentiert laufend Software, die aus Android oder anderen GNU/Linux/FOSS Projekten stammt. Dabei ist es keineswegs Software, die Microsoft für Android/Linux produziert hat, sondern Software anderer Unternehmen/Organisationen, die jedoch einfach von Microsoft patentiert wurde.

Laut einer Analyse von Goldman Sachs verdiente Microsoft 2011 rund 444 Millionen Dollar allein an Android-Patenten, 2013 sollen es rund 2 Milliarden Dollar gewesen sein. Pro verkauftem Android-Gerät wären das rund 5 bis 15$, die Microsoft verdient ohne auch nur im entferntesten an der Software-Produktion beteiligt gewesen zu sein.

Generell besitzt Microsoft diverse Patente im Mobilen Sektor, die jedoch besonders auf die Android-Platform zielen.

Beispielsweise patentierte Microsoft Elemente von mobilen Websites, wie etwa Buttons, Check-/Radio-Boxen, Eingabefelder, etc. Auch die dazugehörigen Verfahren sind patentiert (z.B. der Eingabe-Modus, wenn man auf ein Eingabefeld tippt, etc.).
Jeder, der also die Website in der beschriebenen Art mit den dazugehörigen Verfahren erstellt und anzeigt, muss Microsoft Lizenzgebühren zahlen oder darf die Darstellung und Verfahren nicht nutzen. Meistens sind dafür Betriebssysteme oder Softwarebibliotheken zuständig. Sollte man also eine Browser-App schreiben, ist das Risiko relativ gering dieses oder andere Patente zu verletzen.

Auch patentierte Microsoft mobile Suchleisten. Der Patentantrag enthält zudem die Art der Darstellung der Suchergebnisse, wobei mehrere Darstellungsarten (Liste, Gruppen, etc.) abgedeckt werden. Dieses und das zuvor genannte Patent wären auch gute Kandidaten für Trivialpatente.

Auch sind Darstellungen von Tabs in Browsern, Benachrichtigungen bei nicht sichtbaren Anwendungen, Codierungen und viele weitere Dinge durch Softwarepatente von Microsoft beschützt.

Schon hier sollte klar sein, dass es sich bei Softwarepatenten meistens nicht um Erfindungen oder Innovationen handelt, sondern viel mehr um Ideen, Optimierungen oder einfachste Verfahren geht, die jedem hätten einfallen können. Schwieriger wird es bei mehr technischen Patenten, aber selbst da sind es meistens keine Erfindungen, die in einigen Ländern dennoch Patentfähig sind.

Tatsächlich hat Microsoft auch mehr technische Patente auf Lager, z.B. zur Kommunikation zwischen zwei WLAN-Clients ohne dazwischen liegendem Server. Dennoch war Microsoft hier nicht an der Entwicklung beteiligt, der Patentantrag wurde dennoch genehmigt.

Insgesamt meldete Microsoft 310 Softwarepatente für Android Software an, welche jedoch zunächst nicht öffentlich zugänglich waren. Erst die chinesische Regierung hat eine Liste mit allen Patenten veröffentlicht.

Jeder Smartphone-Hersteller muss nun Microsoft Geld bezahlen, damit die Geräte verkauft werden dürfen. Jüngst musste Rakuten (ein Japanischer Hersteller) einen Vertrag mit Microsoft unterzeichnen. Aber auch hier wurden keine Informationen bezüglich der Patente veröffentlicht. „The terms of the agreement are confidential.“ heißt es.

Auch Linux bleibt nicht verschont

Microsoft besitzt zudem diverse (oftmals nicht öffentliche) Patente von diversen OpenSource-Projekten, unter anderem auch Linux.

In 2007 berichtete Microsoft über 235 Patentverletzungen, die durch Linux in verschiedenen Kategorien verletzt wurden. Es wurden dort zum Beispiel rund 42 Patente aufgelistet, die mit dem Linux-Kernel in Konflikt standen. Auch hier hatte Microsoft keinerlei Software beigetragen und war auch zu der Zeit noch nicht so sehr in OpenSource- und Linux-Projekten involviert, wie heute.

Andere Konflikte lagen laut Microsoft in der Benutzeroberfläche, die Elemente, wie die gewohnte Taskleiste oder das Startmenü enthielten. Auch OpenOffice, E-Mail Programme und andere FOSS Anwendungen blieben von den Softwarepatenten nicht verschont.

Auch wenn Microsoft bisher nie den genauen Inhalt der Softwarepatente veröffentlicht hat und auch bisher keine Gebühren für etwa den Linux Kernel gefordert hat, ist es eine Beunruhigende Tatsache, dass freie (und sogar open source) Software doch nicht so frei ist, wie sie scheint.

Die „Microsoft liebt Linux“ Propaganda

Die von Microsoft oft wiederholte Aussage „Microsoft loves Linux“ (oft auch – wie oben – als Bild mit Herzchen dargestellt) oder auch „Microsoft liebt OpenSource“ wandert, in Anbetracht der Softwarepatente mit denen sich Microsoft an fremden Produkten bereichert, doch in ein ganz anderes Licht.

Es gibt sogar Bewegungen Microsofts Patente zu kaufen und die Software dahinter unter einer freien Lizenz zu veröffentlichen, die keine erneute Patentierung erlaubt, um Microsofts Patent-Wahn zu entgehen.

Auch wenn Microsoft vermehrt Produkte unter OpenSource Lizenzen stellt, Produkte für Linux veröffentlicht und sich der OpenSource Szene annähert, bleibt es fraglich ob es wirklich eine Geste des guten Willens ist oder ob mehr dahinter steckt.
Schließlich kann Microsoft ja ausschließlich mit Patenten fremder Produkte Gewinn machen und hat absolut keine Möglichkeit in irgendeiner Weise ach nur im entferntesten mit zum Beispiel Betriebssystemen, Software-Suiten für Textverarbeitung oder Server-Software Geld zu verdienen.

Auch denn es vielleicht nicht direkt eine Propaganda Aktion von Microsoft ist, so ist es mit Sicherheit ein Marketing Schachzug, der im Endeffekt nicht der OpenSource Welt, sondern Microsoft dienen soll. Ob und in wie weit die OpenSource Welt auch davon profitiert ist noch nicht ganz sicher.

IMHO

Ich glaube nicht, dass Microsoft Linux wirklich liebt.
Klar ist es an der Zeit das Denken etwas zu verändern, da auch Microsoft auf OpenSource Software angewiesen ist, aber es ist immer noch ein Konzern und keine Wohltätigkeitsorganisation. Das heißt nicht, dass ich es schlecht finde in Zukunft auch Produkte von Microsoft unter Linux nutzen zu können (da gibt es ja diverse Anwendungen die wirklich gut sind). Man sollte – wie so oft – aber immer nach dem Grund fragen, denn ein so großer Absatzmarkt ist die Linux Welt nun auch nicht (jeden Falls nicht für nicht-Server Anwendungen).

P.S.:
Das Bild hinter „Microsoft liebt Linux“ ist übrigens nicht unter einer freien Lizenz verfügbar … das von „Microsoft liebt OpenSource“ auch nicht …
Ich musste daher mein eigenes erstellen … hoffentlich hat Microsoft da kein Patent drauf …

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4 Kommentare

  1. Pingback: Von Windows zu Linux: Vorurteile und angebliche Hürden – [curi0sity]

  2. Pingback: Microsoft entwickelt GNU/NT Kernel – [curi0sity]

  3. Marcel Fischer

    Das ist für mich nicht relevant, denn ich kann doch in der heutigen Zeit eine App mit Visual Studio Code schreiben. Serverseitig ASP.NET Core, Clientseitig Angular, Bootstrap, REACT usw.
    Alles Open Source. — Wo liegt das Problem?

    Antworten
    1. Hauke Stieler (Beitrag Autor)

      Schon mal nachgeschaut wer die Frameworks, IDEs und Tools herstellt, die du verwendest? Microsoft, Google, Facebook und Twitter 😉 Natürlich funktioniert dann alles ohne Probleme, weil andere für dich bezahlen.

      Bei der Entwicklung unter Linux have ich aber auch selten Probleme, da alles OpenSource ist was ich verwende (und meistens auch von einer Community betrieben). Das ist ja auch das schöne an OpenSource, dass es innerhalb dieser Welt keine Probleme gibt. Mischt man proprietäre und OpenSource Welt, wird es schwierig (es sei denn andere kümmern sich drum, s.o.).

      Generell sind aber Softwarepatente hinderlich (auch wenn einem die Hersteller von Anwendungen die Hürden meistens abnehmen).
      Aber schon mal versucht unter Fedora MP3 Dateien abzuspielen? Ohne weiteres ist das nicht möglich, da muss man dann auf Repositories anderer Projekte zurückgreifen, die die Lizenzgebühren bezahlt haben und es ermöglichen MP3-Codecs zu installieren.
      Und das ist eben nur der Anfang …

      mfg
      Hauke

      Antworten

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